09.24 — Open Air Culture
Liegt Schönheit in den Augen des Betrachters oder ist sie vielmehr eine Universalsprache? Die Wahrheit liegt, wie immer, irgendwo dazwischen.
Aktuelle neurowissenschaftliche Forschungen beantworten tatsächlich eine der ältesten Fragen der Menschheit und zeigen, dass Schönheit ihren Ursprung in unserem Geist hat, nämlich durch chemische Prozesse, die durch in der Natur vorkommende Reize ausgelöscht werden.
Authentische Leitlinien zum Formen von Ästhetik und zur Schaffung funktionaler Wohlfuhlräume.
Es braucht nur ein beliebiges soziales Netzwerk zu starten, um festzustellen, wie Schönheit heute in unser Leben so sehr eingewurzelt ist: von der Selbstdarstellung (und der damit verbundenen boomenden Kosmetikindustrie) bis hin zu der von Landschaften, Architektur, Lebensmitteln und vielem mehr. Sogar eine gewöhnliche Instagram-Seite wird zu einem „Schaufenster des Schöne“, das unseren Geist befriedigt.
Ein besonderes Phänomen, das vor kurzem das Interesse von Psychologen und Neurowissenschaftlern geweckt hat und das uns zurück zu einer Frage bringt, die viele Bereiche von der Architektur über die Mode bis zur Kunst betrifft: Was ist Schönheit und woher stammt sie?
Mit seiner vierten neurowissenschaftlichen Forschung in Zusammenarbeit mit der Uni IULM Mailand und der Universität von Modena und Reggio Emilia hat Pratic sich dazu entschieden, eine neue Aspekte bezüglich die Beziehung zwischen menschlichen Verstand und Design zu vertiefen, um die Geheimnisse der Ästhetik, ihre Besonderheiten und ihre Vorteile zu enthüllen.
Obwohl wir heute über die geeignete Technologie verfügen, um diese Frage zu beantworten, geht die Frage eigentlich mehrere tausende Jahr zurück.
Schon im klassischen Griechenland gab es unzählige Beispiele für das Streben nach einer bestimmten Ästhetik, so dass die Griechen das Konzept der Schönheit mit dem des Guten und somit mit Harmonie, Symmetrie und Proportion gleichsetzten.
Im Laufe der Jahrhunderte wurde dieser Ansatz durch neue Theorien untergraben: Die experimentelle Psychologie beispielsweise bewertet das Schöne (das, was uns gefällt) als das, was uns bekannt und vertraut ist. Dagegen betrachtet das berühmtes Axiom Darwins die Schönheit als ein evolutionäres Werkzeug, das in der Lage ist, körperliche Leistungsfähigkeit, Gesundheit und die Fähigkeit zur Fortführung der Spezies zu übertragen.
Der neurowissenschaftliche Ansatz geht von der darwinistischen Hypothese aus, dass Schönheit in den biologischen Wurzeln des Menschen innewohnt und dass der Mensch neuronale Rezeptoren entwickelt hat, um sie zu entschlüsseln.
So werden bestimmte Hirnareale aktiviert, wenn sie durch neun funktionelle (visuelle oder akustische) Reize stimuliert werden: Gruppierung, Scheitelpunktverschiebung, Kontrast, Isolierung, Problemlösung, Ablehnung von Zufällen, Ordnung, Symmetrie, Metapher.
Was im Einzelnen geschieht, ist, dass diese Reize unser Erwartungssystem bestätigen; die Bestätigung bringt dann Dopamin in Umlauf; Dopamin umhüllt uns mit seiner neurochemischen Wärme; so erfahren wir ein starkes Gefühl der Freude; in der Tat macht Freude etwas, was wir wahrnehmen, positiv: Und so entsteht Schönheit!
Die perfekte Kombination aus Reize zur Schaffung der Schönheit ist in der Natur- und Außenwelt eingeschlossen. Dies wurde durch den goldenen Schnitt bestätigt, bzw. den von Euklid theoretisierten, berühmte Regeln der idealen Ästhetik. Diese Proportion, die durch die figurative Anwendung der goldenen Zahl (etwa 1,6180339887) gegeben ist, entspricht in der Tat keiner reinen mathematischen Berechnung, sondern einem völlig spontanen und in der Natur erkennbaren Phänomen, das der Mensch immer noch als Index der Vollkommenheit zu imitieren versucht.
Die ideale Schönheit stammt also aus der Natur, findet aber auch Anwendung bei besonders gelungenen Architekturbeispielen, bei denen der so genannte Goldene Schnitt die Gestaltung der Außenräume in einer sorgfältigen Suche nach der richtigen Balance zwischen der Erweiterung nach außen und den Bedürfnissen nach Privatsphäre und Funktionalität von Innenräume leitet.
Die Struktur der Pergola überlagert sich perfekt mit der visuellen Darstellung des Goldenen Rechtecks und erweist sich als eine Architektur von angeborener Schönheit und Wohlbefinden.
Der Bau von Gebäuden, der die ästhetischen Merkmale wie z.B. Schönheit oder Eleganz mit den technischen Eigenschaften wie Barrierefreiheit, Festigkeit und Zweckmäßigkeit vereinen, stellt eine der größten Herausforderungen bei der Architekturplanung dar.
Ein Vorbild, das auf die vitruvianischen Merkmale der Architektur zurückgreift: Schönheit (venustas), Standsicherheit (firmitas), Funktionalität (utilitas), wobei deren Harmonie die Voraussetzung für die Errichtung komfortabler Wohlfühlräume ist.
Das moderne Bauwesen hat sich häufig auf den utilitaristischen Aspekt fokussiert und das Konzept von venustas mit dem von utilitas verschmolzen. Nur in den letzten Jahrzehnten haben wir begonnen, eine Umkehrung zu beobachten, die von den neurowissenschaftlichen Erkenntnissen zum Thema Architektur und ihren Auswirkungen auf die Stimmung, die kognitive Aktivität und die Geistesgesundheit angetrieben wurde.
Elemente, die den zunehmenden Erfolg des Outdoor-Bereichs erklären: Was den ACC (der anteriore cinguläre Cortex oder Gyrus cinguli, das Zentrum unseres ästhetischen „sechsten Sinns“, der mit der Produktion von Dopamin verbunden ist) aktiviert, ist vor allem die Wölbung der Räume und die Öffnung der Räume nach oben und nach außen.
Diese Merkmale sind in der Tat typisch für halboffene Orte – wie Innenhöfe, Veranden, Pergolen, Terrassen und Wintergärten -, die ein Gefühl der Schönheit auslösen und das psychologische Funktionieren, das Lernen, das soziale Verhalten und das emotionale Wohlbefinden positiv beeinflussen.
Damit eine Bauwerke ein Gefühl der Schönheit und des Wohlbefindens hervorrufen, sind fünf Elemente erforderlich, die unser Gehirn stimulieren.
Der bevorzugte Bereich der menschlichen Schönheit ist das Gesicht, und zwar seine Asymmetrie. Diese Entdeckung fällt mit der Beobachtung der Venus von Milo zusammen, einer Statue, die ein Beispiel für ästhetische Perfektion ist und sich durch eine besondere Gesichtsasymmetrie auszeichnet. Diese Anomalie veranlasste den Anatomen Christoph Hasse 1886 dazu, die erste empirische Untersuchung über die Lateralität des menschlichen Gesichts durchzuführen, wobei er feststellte, dass ähnliche Asymmetrien bei realen Menschen fast allgegenwärtig sind.
1902 ließ sich der Psychiater Julius Hallervorden von diesen Erkenntnissen inspirieren und konzipierte die Spiegeltechnik für Gesichtsasymmetrien, welche durch Spiegelung der beiden Gesichtshälften einen Vergleich von Porträts ermöglicht, die nur aus der rechten oder linken Seite bestehen. Daraus ging hervor, dass das linke-linke Gesicht am ausdrucksstärksten ist, da das Gebiet zur Entschlüsselung von Emotionen in der rechten Hirnhälfte angesiedelt ist und daher die Informationen auf der linken Seite erfasst werden. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Männer und Frauen instinktiv dazu neigen, die linke Gesichtshälfte zu zeigen, wenn sie gebeten werden, sich in einen „emotionalen Kontext“ zu posieren.